Dr. Ralf Hasler im Interview: Game Changer im EMS-Geschäft

06.09.2022

Unter der Führung von Dr. Ralf Hasler hat sich die Lacon Electronic GmbH vom Management-Buy-Out zu einem der führenden EMS-Anbieter in Deutschland entwickelt. Der CEO über die Weiterentwicklung des Unternehmens, die Rückbesinnung auf lokales Engineering, die Förderung von Start-Ups und die Verbindung mit dem Oktoberfest, sowie über Trends und Herausforderungen im Schaltschrankbau und den Einsatz von KI als Game Changer in der Angebotserstellung.

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Dr. Ralf Hasler, CEO der Lacon Gruppe in Karlsfeld bei München: “Unsere KI- und cloudbasierte Lösung wird ein Game-Changer in der Angebotserstellung im Industrial Engineering - damit hat der Kunde ein komplexes erstes Angebot in 15 min nach Anfrage fix und fertig auf dem Tisch.” (Bild: Lacon)

Elektrotechnik: Herr Hasler, obwohl die Elektronikindustrie mit über 800.000 Beschäftigten vom Umsatz her die zweitgrößte Branche in Deutschland ist, wird sie, so mein Eindruck, im Gegensatz zur Automobilindustrie oder dem Maschinenbau in der Öffentlichkeit weit weniger wahrgenommen. Woran liegt das?

Hasler: Das war sicher mal so, aber dieses Bild entspricht nicht mehr der Realität. Nicht nur jedes Kfz, jede Maschine, jedes Gerät, einfach alles in unserer modernen Lebensumgebung besteht aus Elektronik. Sowohl Hard- als Software bestimmen unser tägliches Leben. Vor allem aber entwickeln sich Elektronik und Elektromechanik für immer mehr Industriezweige zum Kern ihrer Tätigkeitsfelder. Bereits in den letzten Jahren hat die Wertschöpfung durch elektronische Intelligenz in vielen Produkten ganz erheblich zugenommen: Bei Autos zum Beispiel von rund 20 Prozent im Jahr 2000 auf heute über 50 Prozent. Und entsprechend wandelt sich die Sicht auf unsere Branche in der öffentlichen Wahrnehmung, wie wir es auch als Lacon bemerken.

Elektrotechnik: Das heißt, auch Lacon kann davon profitieren?

Hasler: Ein klares Ja – zumindest für EMS-Anbieter, die sich Richtung Original Design Manufacturing entwickeln. Ob Autos, Bahntechnik, Digitale Fabriken, Netzinfrastruktur, Smart Buildings oder im Haushalt - überall nimmt der Einsatz von Elektronik zu. Und wir profitieren speziell durch die starke Nachfrage im ODM-Segment, in den Märkten New Energy und e-Mobility sowie auch im B2C-Geschäft.
Aufgrund unseres Know-How sind wir in Kundenprojekte auch immer öfter direkt von Anfang an eingebunden und können gemeinsam mit dem Kunden Entwicklungsstrategien entwerfen und diese dann direkt an einem unserer zwei Produktionsstandorte europaweit wettbewerbsfähig umsetzen. So waren wir zum Beispiel mit eingebunden bei der Entwicklung zu eAuto-Ladern, bei der Hausenergieverteilung, in der Bahntechnik und vielem mehr. Aktuell haben wir eine spannende Aufgabe in Form von Schaltschränken für Elektronenstrahl-Anlagen.

Elektrotechnik: Schaltschränke für Elektronenschweißanlagen? Können Sie dazu noch etwas mehr sagen?

Hasler: Die pro-beam Gruppe ist ein weltweit führendes Unternehmen im Bereich der Elektronenstrahltechnologie und realisiert Anlagen zum Schweißen, Härten, Bohren und Beschichten von Bauteilen mittels Elektronenstrahltechnologie sowie Systeme für das UMH (Uniform Magnetic Heating) – Erwärmungsverfahren. Und wir entwickelten und bauen die kompletten Schaltschränke für die Elektronenstrahlanlagen. Mit den Anlagen werden zum Beispiel Turbinenschaufeln in der Luftfahrt, Großbauteile in der Raumfahrt oder Antriebswellen für eAutos verschweißt.

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Die pro-beam Gruppe ist ein weltweit führendes Unternehmen im Bereich der Elektronenstrahltechnologie und realisiert Anlagen zum Schweißen, Härten, Bohren und Beschichten von Bauteilen mittels Elektronenstrahltechnologie sowie Systeme für das UMH (Uniform Magnetic Heating) – Erwärmungsverfahren. Lacon entwickelt und baut die kompletten Schaltschränke für die Elektronenstrahlanlagen.
(Bild: pro-beam)

Elektrotechnik: Gibt es bei dem Projekt besondere Herausforderungen hinsichtlich des Schaltschranks?

Hasler: Allerdings! Bei dem Verfahren werden sehr hohe Stromspannungen und -stärken benötigt. Für diese hohen Belastungen haben wir in dem Schaltschrank praktisch jedes Teil neu entwickelt oder speziell ausgelegt: von den Steckverbindern bis zu den Elektronikplatinen.

Elektrotechnik: Wie haben Sie die Auftragsdaten von pro-beam erhalten?

Hasler: Wir haben eine Zeichnung als PDF erhalten und auf der Basis hat unsere Engineering-Abteilung den Schaltschrank entwickelt und als Prototyp gebaut. Der Prototyp wurde freigegeben und bildet nun die Basis für die verschiedenen Versionen, die wir jeweils projektbezogen konfigurieren und bauen.

Elektrotechnik: Und wie kann die Datenübermittlung der Kunden ansonsten noch erfolgen?

Hasler: In praktisch jeder Form – von der Handskizze bis zur 3D-Zeichnung. In unserer Engineering-Abteilung setzen wir für die Entwicklung und Projektierung dafür ein Eplan Electric P8-System ein – mit dem wir den Kunden übrigens auch den Digitalen Zwilling ihres Schaltschranks liefern können.

Elektrotechnik: Welche Trends registrieren Sie generell im Schaltschrankbau?

Hasler: Schaltschränke sind das Hirn und Herz jeder technischen Anlage. Die werden immer komplexer und digitaler, und damit auch die Entwicklung und der Bau der Schaltschränke. Der Schaltschrankbau ist zwar grundsätzlich schon immer im Wandel, doch die derzeitige Dynamik durch die Digitalisierung aller technischen Bereiche ist neu. Weitere Herausforderungen sind der wachsende Preisdruck, die enorme Lieferkettenproblematik und die Zunahme an Just-in-time-Anfragen mit immer kürzeren Lieferzeiten. Der Vorplanung muss deshalb heute eine viel höhere Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Darüber hinaus spüren wir, dass Unternehmen, nicht zuletzt aufgrund der geschilderten Herausforderungen, verstärkt auf unser Know-How, unsere Expertise und unsere Produktionskapazitäten zurückgreifen. Und dies eben nicht nur im Schaltschrankbau, sondern bei vielen Kundenprojekten.

Elektrotechnik: Das heißt, Sie sehen für Original Design Manufacturer wie Lacon gute Wachstumschancen in Deutschland?

Hasler: Wir erkennen Tendenzen zur Relocation – also eine Art Rückbesinnung auf die Wichtigkeit, elektronische Kompetenzen in Europa zu halten oder wieder zurückzubringen. Wir glauben sogar, dass durch die Digitalisierung aller Produkte eine Verschiebung der Zulieferstrukturen in Europa in Gang gesetzt worden ist, die uns ODM zugutekommt und deren Entwicklungsdynamik noch gar nicht abzusehen ist. Unternehmen und Konzerne, die bisher komplette Einheiten mit digitalen Funktionen bei großen Zulieferern eingekauft haben, bemerken, dass ihnen diese Kompetenz nun fehlt. Sie haben nun begonnen, die Komponenten wieder in eigener Verantwortung zu fertigen. Dazu greifen sie verstärkt auf das Engineering-Know-how und die Kapazitäten von Elektronik-Spezialisten wie uns zurück - ohne den Umweg und den Know-how-Verlust über die globalen – gestörten – Lieferketten nach Asien.

Elektrotechnik: Hat sich diese Entwicklung denn bereits in Zahlen bei Lacon bemerkbar gemacht? Wie lief denn das Corona-Jahr 2021?

Hasler: Trotz der schwierigen Rahmenbedingung konnte Lacon 2021 ein kraftvolles Wachstum erzielen: Mit einem Umsatz von über 55 Mio. Euro und einem Wachstum von 22 Prozent haben wir unsere selbst gesteckten Ziele deutlich übertroffen. Auch dieses Jahr verzeichnen wir einen steigenden Auftragseingang und eine starke Nachfrage nach Original Design Manufacturing. Vor allem in den Märkten New Energy, e-Mobility und auch im B2C ziehen die Geschäfte an.

Elektrotechnik: Lacon und Sie persönlich sind ja auch sehr stark in der Förderung von Startups engagiert. Kommende Woche, am 25.09.2022, beginnt die Bits & Pretzels in München, eine der größten Gründerveranstaltungen der Welt. Das Event wird mit einer Rede von Arnold Schwarzenegger eröffnet und Sie halten ebenfalls einen Vortrag auf der Veranstaltung. Wie viele Startups haben Sie und Lacon denn bereits begleitet?

Hasler: In den vergangenen Jahren hat die Lacon Gruppe mehr als 40 High Tech Startups bei Prototyping, Industrialisierung und Serienfertigung begleitet. Wir kümmern uns um die Themen Hard- und Software, das Engineering und den wichtigen Bereich Marketing.

Elektrotechnik: Wie gestaltet sich denn so eine Startup-Förderung?

Hasler: Was die meisten Startups eint: Vor allem, wenn es um die Produktion geht, müssen wir oft erst drei Schritte zurückgehen, bevor eine industriell saubere Grundlage gelegt ist. Zum einen befindet sich das Gerät oder die Baugruppe häufig noch in einem Zustand, der nicht serientauglich ist. Lacon agiert bei vielen Startups als erfahrener Industrialisierungspartner und unterstützt den Transfer von einem Prototyp, der bestenfalls für einen Proof of Concept herhalten kann, in ein Serienprodukt, das auf den Zielmärkten profitabel und erfolgreich sein kann. Zum anderen sind wir in der Regel Supply Chain Partner. Das Startup fokussiert sich auf Produkt- und Marktentwicklung, die Supply Chain wird durch Lacon bereitgestellt. Diese Fokussierung reduziert das Risiko und verkürzt die Time-to-Market.

Elektrotechnik: Ist Lacon dann auch an den Start-Ups beteiligt?

Hasler: Nein. Die Lacon Gruppe selber beteiligt sich nicht an den Startups, die sie betreut. Gelegentlich beteilige ich mich persönlich mittels meiner Beteiligungsgesellschaft als Early Stage Investor. Derzeit habe ich vier Angel Investments, zwei davon im Bereich erneuerbare Energien. Ich sehe mich auch stark als eine Art Tourguide und Coach für junge Unternehmer, die mit einer Mischung aus 30 Jahren Erfahrung als Entrepreneur und persönlichen Erkenntnissen oder auch philosophischen Weisheiten wichtige Impulse setzen kann.

Unsere Masterclass auf der Bits & Pretzels wird übrigens nach der Veranstaltung auch auf der Lacon-Website als Video abrufbar sein und lautet "Distilling the essence of Philosophy for empowering you and your business. With the convenience like Blinkist and a passionate tourguide and entrepreneur."

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Am 25.09. beginnt die Bits & Pretzels in München, eine der größten Gründerveranstaltungen der Welt, die mit einer Rede von Arnold Schwarzenegger eröffnet wird. Lacon-CEO Dr. Ralf Hasler hält ebenfalls einen Vortrag auf dem Event. (Bild: Bits & Pretzels)

Elektrotechnik: Apropos Tourguide – den Weg von Lacon vom Elektronik-Fertiger zum Engineering-Dienstleister werden Sie ebenfalls weiter vorantreiben?

Hasler: Ganz sicher! Wir werden unsere Ausrichtung als ODM und Full-Service Engineering Dienstleister mit IoT-Entwicklung und KI-Know-How konsequent weiter gehen. So steht beispielsweise eine gemeinsam mit dem KI-Start Up Luminovo entwickelte Lösung für die Kalkulation von Baugruppen kurz vor dem gruppenweiten Roll-Out. Über die Kalkulation hinaus prognostiziert das Tool in Echtzeit Verwerfungen in der Lieferkette und schlägt Alternativen vor. Stellen Sie sich einfach vor, Sie hätten ein komplexes erstes Angebot in 15 min nach Anfrage fix und fertig auf dem Tisch.

Diese KI- und cloudbasierte Lösung wird ein Game-Changer in der Angebotserstellung im Industrial Engineering – wir investieren in solche disruptiven Technologien, die uns auch gegenüber asiatischen Spielern Vorteile verschaffen. Denn solche Projekte werden für unsere Wachstumsstrategie immer wichtiger. [hjs]

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