Wechselstrom dominiert die Stromnetze. Noch. Denn die Art und Weise, wie Strom erzeugt, übertragen, verteilt und verbraucht wird, ändert sich derzeit mit der Digitalisierung des Alltags und dem Bestreben nach CO2-Vermeidung grundlegend.
Und führt im privaten und gewerblichen Bereich sowie der Industrie zur Bildung von flächendeckenden Gleichstromnetzen. Lacon hat daher kürzlich die Mehrheit an dem DC/DC-Spezialisten Querom Elektronik GmbH erworben. Doch wieso basieren unsere Netze auf Wechselstrom, und warum ist das in einer digitalen Welt von Nachteil?
Mitte Februar beschloss das EU-Parlament als Teil seines "Fit for 55"-Programmes, dass ab 2035 keine PKW mit Verbrennermotoren mehr zugelassen werden dürfen. Fit for 55 steht für das Ziel, bis 2055 die CO2-Produktion in der EU auf Null zurückzufahren. Dieses Ziel, darin sind sich alle Experten einig, wird nur mit einer Umstellung in vielen Bereichen von AC auf DC zu erreichen sein. AC/DC, das ist jedem Musikfan bekannt, der Name einer der erfolgreichsten Rockbands der Musikgeschichte. Und – vielleicht weniger bekannt – steht auch für den ersten Wirtschaftskrieg der Industriegeschichte: Der Wechsel von Gleichstrom zu Wechselstrom.
AC und DC sind zwei verschiedene Arten von Elektrizität: bei Gleichstrom (Direct Current = DC) fließen die Elektronen in eine Richtung, bei Wechselstrom (Alternating Current = AC) ändern sie ständig ihre Bewegungsrichtung. Die überwiegende Mehrheit der Stromnetze weltweit baut seit rund 130 Jahren auf Wechselstrom auf.
Doch seitdem hat sich sehr vieles verändert. Der Glühbirne, für deren Versorgung damals die Stromnetze in den Städten eingeführt wurden, ist es egal, ob sie von AC oder DC versorgt wird. Der LED-Lampe, dem Computer, dem Smartphone, der Leuchtdiode, der Mikrowelle, der Klimaanlage, der PC-Steuerung, dem KI-Sensor, dem Serverzentrum uvm. aber nicht - sie alle arbeiten mit Gleichstrom.
Also wird der Wechselstrom heute in vielen, vielen Netzteilen in Gleichstrom zurückverwandelt. Jedes Netzteil ist ein kleiner Konverter (Gleichrichter), und bei jeder Konvertierung entstehen Verluste (in Höhe bis zu 25 Prozent), die in Wärme umgewandelt werden. Beides, die Verluste wie auch die Wärme, führen mit der wachsenden Anzahl der Geräte zu immer größeren Problemen. Schätzungen der Europäischen Union gehen davon aus, dass der Gleichstromverbrauch heute bereits über 30 Prozent der Gesamtenergielasten ausmacht und bis 2035 auf über 70 Prozent steigen wird - verbunden bisher mit entsprechenden Verlusten und Wärmeentwicklungen.
Aber nicht nur wegen dieser stark wachsenden Zahl an Verbrauchern wird die Dominanz des Wechselstroms in den Stromnetzen zu Ende gehen: Auch bei der Stromverteilung über große Entfernungen ist Gleichstrom heute dem Wechselstrom überlegen, bei der regenerativen, dezentralen Stromerzeugung via Photovoltaik entsteht Gleichstrom und zur Speicherung von Strom kann sowieso nur DC verwendet werden. Denn alle Batterien und Akkus arbeiten mit Gleichstrom. Wechselstrom, und das ist einer seiner größten Nachteile, lässt sich nicht speichern. Bei Gleichstrom wandern die Elektronen in die Richtung, wo sie dann gespeichert werden. Bei Wechselstrom wandern die Elektronen in beide Richtungen - können also nicht gespeichert werden. Doch wie kommt es dann, dass die Stromversorgung rund um die Welt heute von Wechselstrom dominiert wird?
Das war nicht immer so: Die ersten stromerzeugenden Generatoren produzierten Gleichstrom, erst 1866 baute Werner Siemens einen alltagstauglichen Wechselstromgenerator. Bis 1890 waren dann beide Stromarten verbreitet, und in den Netzen dominierte je nach Region und Stromerzeuger die eine oder andere. Damals diente das Stromnetz in erster Linie zur Versorgung der Glühbirne mit Strom - denn immer mehr Städte ersetzten ihre Gaslampen damit. Doch je mehr die Regionen zusammen wuchsen, desto klarer wurde, dass sich für eine flächendeckende Versorgung nur eine der beiden Techniken durchsetzen konnte. In den USA löste das den sogenannten Stromkrieg zwischen Thomas Alva Edison und dem Grossindustriellen George Westinghouse aus. Die beiden kämpften jahrelang mit fast allen Mitteln um die technische Vormacht. So “empfahl” Edison für den gerade erfundenen elektrischen Stuhl den Wechselstrom - weil der viel gefährlicher sei. Was eindeutig Fake ist. Als Begriff für die Hinrichtungsart schlug er zudem “westinghousing” vor.
Thomas Edison hatte 1879 die erste langbrennende Glühbirne entwickelt - erfunden hat er sie nicht. Er setzte dafür auf Gleichstrom mit 110V, damit die Glühbirnen noch gefahrlos betrieben werden konnten, und kleine, dezentrale Kohlekraftwerke für Häuserblocks. Denn Gleichstrom mit so niedriger Spannung konnte damals nicht ohne erhebliche Verluste über große Entfernungen transportiert werden. Westinghouse nutzte dagegen die Möglichkeit, dass sich Wechselstrom seit der Erfindung des Transformators 1881 von einer tiefen auf eine hohe Spannung transformieren lässt – und wieder zurück. Denn: Je höher die Spannung, desto geringer die Verluste bei der Stromübertragung. Das gilt für Gleichstrom wie für Wechselstrom. Doch für Gleichstrom gab es den DC/DC-Wandler, also die Möglichkeit den Strom auf eine höhere und niedrigere Spannung zu wandeln, noch nicht.
Und das war damals der entscheidende Vorteil von Wechselstrom. Westinghouse baute nun Netze auf, die den Strom aus außerhalb liegenden, großen Kohlekraftwerken in die Städte transportierten. Entschieden wurde der Stromkrieg, als der Edison-Ingenieur Nicolas Tesla die Seiten wechselte und für Westinghouse den Wechselstrommotor sowie den Mehrphasen-Wechselstrom erfand. Mit ersterem wurde der Wechselstrom auch für die Industrie interessant, mit zweitem wurden sehr hohe Spannungen (Starkstrom) möglich - und damit der verlustarme Transport von Wechselstrom über sehr große Entfernungen. Kurz darauf gelang in Deutschland 1891 die weltweit erste Stromübertragung mit hochgespanntem Wechselstrom von Lauffen am Neckar nach Frankfurt/Main. Über eine Strecke von 180 Kilometern hatte sie nur einen Verlust 25 Prozent. Dagegen kämpfte die bereits seit 1882 bestehende Gleichstrom-Leitung von Miesbach nach München über die 60 km mit einem Verlust von über 80 Prozent. Der Siegeszug des Wechselstromnetzes begann.
130 Jahre später würde der AC/DC-Wettkampf dagegen in einem 2:1-Sieg für DC ausgehen: bei kurzen Entfernungen bis zu etwa zwei Kilometern sind die Verluste einer Gleichstromleitung nicht größer als die Transformationsverluste beim Wechselstrom, der aber dann für immer mehr Geräte verlustreich wieder zu Gleichstrom gewandelt werden muss. Für kurze Entfernungen bis 2km, wie innerhalb eines Industrieproduktion, eines Gebäudes, eines Lagers, eines Büroparks oder eines Häuserblocks ist Gleichstrom deshalb nicht nur besser geeignet als Wechselstrom, sondern auch preisgünstiger.
Bei mittleren Entfernungen bis rund 100km ist dagegen der Wechselstrom die verlustärmere Übertragungsart. Doch bei großen Entfernungen über 100km wird dann wieder eine Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) mit jedem Kilometer kostengünstiger als Wechselstrom.
Denn spannungsstarker Gleichstrom - nicht 110 Volt, wie Edison ihn verwendete, sondern bis zu 1.000 Kilovolt - eignet sich für die Übertragung großer Strommengen über weite Strecken viel besser als Wechselstrom, da jeder Wechsel der Stromrichtung rund um die Leitung elektrische und magnetische Felder bildet, die den Stromfluss bremsen. Dieser Leistungsverlust durch Umpolen wird Blindleistung genannt - und wird umso größer, je länger die Übertragungsstrecke. Ab 100km, je nach Umgebung, beginnt sich deshalb der Transport hoher Strommengen per Gleichstrom zu rechnen. In China liefert bereits seit 2010 ein Gleichstromleitung mit einer Spannung von 800 KV und einer Kapazität von bis zu 7200 MW von einem Wasserkraftwerk aus der Mitte des Landes den Strom nach Schanghai – über eine Distanz von 2000 Kilometern. Im Vergleich zu Wechselstrom werden dabei bis zu 50 Prozent der Verluste vermieden. Und 7.200 MW sind fast die doppelte Leistung wie sie etwa Deutschlands größtes Kohlekraftwerk Neurath produziert - und für das das Dorf Lützerath für den Kohleabbau weichen musste.
Die ersten langstreckigen Stromautobahnen in Deutschland, SüdLink (540km) und SüdostLink (700km), die Energie aus dem windstarken Norden in den Süden transportieren sollen, werden ebenfalls auf Gleichstrombasis arbeiten. Sie sind im Genehmigungsverfahren und ab 2027 sollen sie 2GW (SüdostLink) und 4GW (SüdLink) Gleichstrom transportieren.
Auch die Open Direct Current Alliance (ODCA) geht von einer wachsenden Nachfrage nach Gleichstrom aus - speziell in der Industrie. Die Allianz wurde im Januar d.J. vorgestellt, ist vom ZVEI initiiert und ein Bündnis von bisher 33 Partnern aus Industrie und Forschung. Ziel ist der weltweite Aufbau eines Gleichstromökosystems und die anwendungsübergreifende Etablierung der Gleichstromtechnik.
Die ODCA geht davon aus, dass mit dem konsequenten Einsatz von Gleichstrom in der Industrie AC/DC-Umwandlungsverluste im zweistelligen Prozentbereich eingespart werden können. Zudem ist eine Integration erneuerbarer Energiequellen und die Anbindung der klimarelevanten Sektoren Gebäude und Mobilität einfacher möglich. Darüber hinaus führt die Verwendung von DC auch zu Materialeinsparungen und somit einer erhöhten Ressourceneffizienz. Gleichstrom ist zudem die Voraussetzung, damit elektrische Antriebe beim Bremsen Energie einfach zurückspeisen können (Rekuperation). In bereits existierenden Prototypen-Fabriken konnten bis zu 10 Prozent Energieeinsparung und etwa 50 Prozent Kupfereinsparung bei den Leitungen realisiert werden. Damit nimmt Gleichstrom künftig in der industriellen Stromversorgung eine Schlüsselrolle ein und ermöglicht die effiziente Integration von erneuerbaren Energien, einen geringeren Ressourcenverbrauch, eine reduzierte Einspeiseleistung, stabile Netze und ein offenes System für Anwender.
Diese Veränderungen in der Versorgungsarchitektur von stationären und mobilen elektrischen Verbrauchern erfordert dafür ausgelegte und einfach zu integrierende Leistungselektronik. Eine der Schlüsselkomponenten in der modernen Gleichstromtechnik sind DC/DC-Wandler, die die Spannung verlustarm und sicher umwandeln können und sich einfach integrieren lassen. Die Querom Elektronik GmbH hat sich auf Entwicklung, Herstellung und Vertrieb kundenindividueller Leistungselektronik im Gleichstrombereich spezialisiert und dabei besonders auf DC/DC-Konverter für die Bereiche Stromübertragung, Industrie, Gebäude und eMobilität.
Diese Entwicklungen im Bereich der Gleichstrom-Technologie sowie die innovativen Lösungen von Querom als Antworten darauf waren Grund für Lacon Electronic, kürzlich die Mehrheit an Querom zu erwerben. Lacon-CEO Dr. Ralf Hasler zu der Übernahme: "Mit dem Unternehmen und dem Team haben wir die Eintrittskarte erworben für technologisch hochstehende Anwendungen im Bereich der innovativen Gleichstromtechnik!"
Apropos Gleichstrom: Der Name der australischen Rockband AC/DC entstand übrigens, als die Band-Gründer Angus und Malcolm Young 1973 über einen passenden grübelten und ihre Schwester auf der Nähmaschine die Buchstaben “AC-DC” las. Und die gaben an, dass die Nähmaschine mit beiden Netzarten klarkam, die damals in Australien in vielen Regionen noch parallel existierten: dem Wechsel- und dem Gleichstrom-Netz.